Conrad Schierenberg              Wasser ins Meer tragen

© beim Autor

 

 

I

 

Prolog

 

Nach Jahren da ich weder Wert noch Würde

Der Sprache meiner Ahnen je bedacht

Missbraucht die Dirne fand und ungeschlacht

Ja auch den Dienst an ihr nur eine Bürde

 

Erfuhr doch spät ich ihre hohe Macht

Als raunend sie begann zu mir zu sprechen

Bald allen Widerwillen sanft zu brechen

Ach war sie schön  die jetzt mein Herz entfacht!

 

Und als ich ganz betört von Form und Klang

Dem Worte lauschte  das da  schritt im Tanze

Voll dunklen Sinns - befahl sie dass ich schriebe

 

Ich folgte gern  weiß wenig ob gelang

Wie Wort sich fügt zur Zeile dann zur Stanze

Du hältst die Ernte meiner tätigen Liebe.

 

II

 

Am Rand des Teiches birgt die schöne Schnecke

Im Perlmutt-Zauber tödliche Gefahr

Wird ihrer nur mein Fuß zu spät gewahr.

Nach dumpfem Dämmern bei der Croton-Hecke

 

Fahre ich  (schnell auf die Klippe drängt

Die Welle) aus in meinem brüchigen Nachen

Und suche dass sich der mit zahnigem Rachen

Von allen Fischen mir am Eisen fängt.

 

Die harsche Sonne straft mit steilem Strahle

Gleich giftig jener Frucht der Mancenillen

Pulst nesselarmig weiter Schwarm der Qualle

 

Wo jäh die Nacht fällt  taub vom süßen Mohne

Will mein Leib nur den Durst mit Brandwein stillen

Dort überm Lager lauern Skorpione.

 

III

 

Als mit den schweren Schiffen dir zum Orte

Des sonnigen Windes und des Spiels gelang

Zu fliehn  da wurdest froh du aus dir klang

Wie bunter Sphären Tanz der Sang im Worte.

 

Betäubend dich doch bald die Luft umschlang

Und die dich grüßten wandten hingegeben

Erneut sich jenen Tönen zu die weben

Den Tag so kurz die brünstige Nacht so lang.

 

Verirrt im Zauber kleiner Blütengärten

Erkennst du jäh beim Stamm des Mango-Baumes

Den Einen den im Norden du vermisst

 

Jung und voll Kraft  - ersehnten Weg-Gefährten

Wie er die süßen Früchte deines Traumes

Dir unverwandt mit seiner Liebsten isst.

 

IV

 

Im Fluge hab ich niemals ihr Gefieder

Doch wohl der Hähne heiseres Schrein gehört

Das alle Nächte meinen Schlummer stört

Gleich irr wie der Cikaden schrille Lieder.

 

Vom Tale statt verliebter Hirtenflöte

Bricht jäh erschreckend und bedrohlich hell

Der Hunde widerstreitendes Gebell

Vorm steten Unken dort von Frosch und Kröte.

 

Ich höre Nachbarn fleißig Dinge machen

Des Hammers Schlag  Motoren im Gebrüll

Zum Segen oder Fluche unseren Tagen?

 

Nie höre ich das Singen  höre Lachen

Auch eines Kindes  das sich freuen  will

Nur immer wieder bittere Greise klagen.

 

V

 

Leicht geneigt frühmittaglichem Hauche

Steht erblühend schlank der Gräser Halm

Fernes Dengeln auf der steilen Alm

Beere schwillt in Dolden dort am Strauche.

 

Summen dieser Stunde steter Ton

Fleißiger Hummel  wie im Tanz der Mücke

Frucht so jung  dass sie noch keiner pflücke

Doch Begierde regt sich immer schon.

 

Unterm Berg das Grün der prallen Matten

Zwischen Stein und blumigem Erdreich quillt

Flüsterndes Gemurmel bis zur Seichte

 

Wo unendlich langsam von den satten 

Rindern nach dem Käuen jedes stillt

Seinen Durst an sommerlicher Feuchte.

 

VI

 

Spätabends lag er nach der schweren Schlacht

Auf weitem Feld und starb an seinen Wunden

Schon ganz verloren war das Maß der Stunden

Und immer wurde über ihn gewacht.

 

Nun konnte friedlich ihm das Herz gesunden

Wie er umhüllt vom Dunkel blutig lag

Im Scheiden hat an seinem letzten Tag

Versöhnung mit dem Leben er gefunden.

 

Kühl steigt es auf durch die zerschlagenen Glieder

Lässt den so Müden voll Geduld vertraun

Dass seiner sich sein Wächter wohl erbarmt.

 

Bevor ihn andere fänden  rissen wieder

An diesem Leib - flieht er ins Morgengraun

Und wird von seinem Engel still umarmt.

 

VII

 

In Tanz und leichtem Singsang sie umzieht

Den düsteren Herrscher dieses Zwischenreiches

Um seine harten Züge bebt ein Bleiches

So starr sein Auge  das ins Leere sieht.

 

Rund auf dem Boden liegen Fleisch und Späne

Durch die sie ihre schmutzigen Röcke schleift

Derweil von hinten eine andere keift

Und seltsam dabei bleckt die roten Zähne

 

Die vom Genuss der Betel so sich tönen.

Doch wendet die den bösen König reizt

Sich plötzlich mir zu  hebt den blutigen Saum

 

Derweil sich ihre Züge herb verschönen

Da sie für mich die Beine lüstern spreizt

Entsteige ich entsetzt dem schwülen Traum.

 

VIII

 

Das Volk macht sich den Frommen gern zum Spotte

Wo der nur betend leiht sich dieser Welt

Dass er nicht ihrer Kümmernis verfällt

Sein ganzes Herz anheim gibt seinem Gotte.

 

Selbst einen dumpfen Flegel zu versöhnen

Den Mächtigen  der stets für sich nur will

Dient er geduldig  beugt sich und schweigt still

Will man ihn schelten  schlagen und verhöhnen.

 

Im Flickenkleide tanzt er unter Narren

Wirft leicht sein Lohngeld  hin den armen Kindern

Bedürfnislos ernährt er sich nur spärlich

 

Der Losung treu  in Demut zu verharren

Geht er getarnt als Sünder  unter Sündern

Und weiß sein Leben reich und so gefährlich.

 

IX

 

Ich sehe in den fast noch jungen Zügen

Sie hatten den  der immer sie erblickt

In ihren Bann gezogen und berückt

Ein Bleiches unterm Blühn des Lebens liegen.

 

Nur weniges Tun vermagst du noch zur Stunde

Dann sitzt du gerne still in unserer Mitte

Doch tanzest du  so mit bedächtigem Schritte

Und wenn du sprichst  sprichst du von deiner Wunde.

 

Die Schatten banntest du aus deinem Tage

So leicht  wie du die Nacht zum Feste machtest

Dir stellte  wo des Alters Frucht kaum reifte

 

Nach deiner Endlichkeit sich nie die Frage

Bis plötzlich  als du  selbstvergessen lachtest

Dich kurz des Todes dunkler Flügel streifte.

 

X

 

Unmerklich hat der Himmel sich vermummt

Kein Laut  nur eine Taube irgendwo

Die traurig ruft so leis von nirgendwo

Und sicher erst zur Dämmerung verstummt

 

Der Wind  der gestern streng und herrisch fegte

Vom Meere her erst in verhaltenem Wimmern

Ließ noch die Wellen leicht erschauernd schimmern

Bevor die Macht verhauchend er sich legte.

 

Dies ist ein Tag fast wie ein jeder andere

Nur eben stiller  es geschieht nicht viel

Dort ganz weit hinten wird ein Tier beladen

 

Ich finde  da ich auf und nieder wandere

Am weiten Strande mir kein rechtes Ziel

Und schau fast weh  noch Kindern zu  die baden.

 

XI

 

Verwelkte Blumen  von Getier zerfressen

Gebrochener Baum  vom Sturme einst geknickt

Gesunkenes Boot  die Rettung kaum geglückt

Verfallenes Haus  Bedachung lang vergessen

 

Das Holz zerstreut  das dafür war gestückt

Ein Kleid zerfetzt mit schmutzig grauen Tressen

Und dort ein Stuhl  wo es sich stolz gesessen

Steht nutzlos schief  die Lehne morsch gebückt.

 

Der alte Wein im Glase staubig sauer

Das wollene Vlies  zeigt gieriges Gewimmel

Der Motte  die hier ihre Eier legte

 

Die Frucht im Korbe braun und voller Schimmel

Des Wurmes Brut im Boden auf der Lauer

Vergangen  was vergangene Liebe hegte.

 

XII

 

Du sage  der nach brünstiger Glut sich sehnt

Ob denn im Mäßigen wäre  Leisen  Milden

Nicht leichter stetes Tagewerk zu bilden

Muss Durst unstillbar brennen  bleibt verpönt

 

Was zwingend sich nicht deiner ganz bemächtigt

Den Blick zum Himmel gleich und Abgrund lenkt?

Ist der ein Seher schon  der Düsteres denkt

Und gern mit Feuers bösem Geiste nächtigt?

 

Schau diesen Boden  der dein Heim umgibt

Er nährt dich gut  hier grasen deine Ziegen

Das alte Dach wird noch den Wettern wehren

 

Und die Gefährtin  die dich sorgend liebt

Kann eure Kinder hier am Orte wiegen –

In seinem Dienst soll sich dein Leben mehren.

 

XIII

 

Benommen lauern sie auf ihre Beute

Die Zeit wie dort auch im Gebälk die Schlange

Sie hausen bei mir.  Wie gleicht sich doch lange

Vergangenes ereignislosem Heute.

 

Die Luft steht stickig im gekalkten Raume

Auf Steinen das vom Wind zerschlissene Brett

Verdingt dem Fremden sich als karges Bett

Und dieses teil ich nur mit einem Traume.

 

Die Sonne will schon feierlich versinken

Und immer hat im feindlich heißen Süden

Obwohl verlockend viele Dinge winken

 

Der Tag mich noch zu keiner Tat entfacht

Erinnerung wird zur Plage  lässt ermüden

So dämmere ich hinüber in die Nacht.

 

XIV

 

Dem Taumeln gleich vom lasch gebundenen Boote

Das hier und dorthin stößt die wilde Welle

War noch die Seele jenseits fast der Schwelle

Die alles Leben trennt und alles Tote

 

Doch als in harschem Gold die Sonne scharf

Und streng sie rief zu neuen Tags Gebote

Erhob sie sich gehorsam aus dem Kote

In den das Gestern sie verächtlich warf.

 

- Bleib Sklavin keines Leids mehr  keiner Mühe

Sie sind vergangen - hör des Morgens Klang

Der stets sich in den Dienst der Mutigen stellte

 

Dann wird erheiternd dich in diese Frühe

Ein Segen heben  und er wirke lang

Der sich aus Meinem Licht dir beigesellte.-

 

XV

 

Nach Tagen Nächten mühevoller Reisen

Nicht dass Gefahr noch Abenteuer lockte

Kam der da dumpf im sticken Boote hockte

Zur wüsten Insel wo die Vögel kreisen

 

Die fiedrig Stummen welche immer fliegen

Um hohe Klippe dort beim öden Strand

Erkennen ihn  den Bruder auf dem Sand

Wie sie an keinem Orte heimisch  liegen

 

Wenn dann in dunklem Unmut durch die Wellen

Er ziellos um des Körpers Kühlung pflügt

Gleich wie er vor der eigenen Trauer flüchtet

 

Dann wird ein Vogel ihm doch zum Gesellen

Der überm Wasser dicht im Wind sich wiegt

Nur ganz das Auge auf sein Haupt gerichtet.

 

XVI

 

So bleib in deiner Kammer dumpf und grau

Im alten Leinen liegen  das dich deckte

Und vor dem strengen Blick des Tags versteckte

Wie seiner Mühe. Träge du und lau

 

Du wolltest niemals mutig dich bewähren

Nur heimlich lugen hin zum weiten Heer

Der Wagenden. Das Leben schien zu schwer

Doch eigenes Tun vermag uns nur zu nähren.

 

Nun du dein Weniges hältst mit schlaffen Armen

Nässt Missmut dir durch jede leere Stunde

In der du immer dich dem Kampf nicht stelltest

 

Gleich der aus weichem Fleisch gebrochenen Wunde.

Dein Fehl entfacht in keinem ein Erbarmen 

Da feige du dich keinem beigeselltest.

 

XVII

 

Vor Sehnsucht weh und selbstentgrenzt gefangen

Von fernen Strandes Zauber  Wassern  Wesen

Von Gipfeln  die in weißem Glühn sich lösen

Und jenen stillen Gärten  nie durchgangen

 

Der Blume  deren Duft nur stets geträumt

Von Sonnen-Nähe dort auf blauem Firne

Dem Kusse fremden Kindes auf der Stirne

Da zart die warme Flut den Fuß umschäumt.

 

Sich süß die Bilder in einander schlingen

Und aus der Öde grauen Tags entheben

Dass Wunsch erbebt  sie mögen nicht verblassen

 

Vor Glück berauscht ganz ohne Ziel im Schweben

Durch des Korall bunt-wucherndes Umringen

Nur mag sich solche Wirklichkeit zu fassen.

 

XVIII

 

Im gleißen Lichte zeigte sich's: Vergebens

Bisher war alle Mühe aufgewandt

Da ich mich nur mit leeren Händen fand

Trotz aller Gier  dem steten Trieb des Lebens

 

Ich ließ zum Meer darum erneut das Land.

Wie nun der Drang zu jagen mich verführte

Gleich sich geschwisterlich ein Mitleid rührte

Das Liebe für die Kreatur empfand

 

Für Krebs Polyp und Fisch so scheu umher

Geheimnis farbig alle Sinne nährte

Dort in dem kühlen Dämmer der Lagune

 

Verstand den Wunsch zu töten ich nicht mehr.

Doch kurz ganz kurz nur dieser Taumel währte

Denn scharf entschoss der Hand schon die Harpune.

 

XIX

 

Schon im Erbleichen später Nacht erkenne

Ich alle Strenge neuen Tages Glut

Es ist ein Ding auf meinem Wege gut

Für mich gemeint  wenn ich es mir benenne.

 

In weiten Meeres salzig-bitterem Sud

Wohin mein Leib sich immer wieder tragen

Will  wie den steilen Stieg zum Fels zu wagen

Erlebe jeden Ort ich als mir gut.

 

Gefahr ist gut  heißt sie mich doch erwachen

Und in Gedanken  wie man ihr begegne

Begegne ich mir selbst und meinem Mut.

 

Und dann die Not  sie lässt mich vieles machen

Dass ich sie wende. Auch des Lebens Ende

Sich mir noch segne  dann ist alles gut.

 

XX

 

Du Einziger sage  dass des Frommen Ruf 

Ein Heil ihm bringt. Der Dumpfe aber Taube

In Blindheit ohne Richtung hin im Staube

Dich ganz vergessend  Der ihn einmal schuf

 

Hinunter stapft zu einem öden Ende

Den lässt Du  Goldener  Du der immer Hehre

Lässt ihn im Taumel seiner trüben Leere

Der flehend nie zu Dir erhob die Hände!

 

- Kein Heil sucht mehr der Mich in dunklem Ahnen

Je wahrnahm  wie Geheimnis feuchter Krume 

Aus der ein Halm erwuchs  den Flug der Imme

 

Er weiß im Schweiße seiner  wirren Bahnen

Ich bin sein Geist  bin Geist von Tier und Blume

Er betet nicht  und hört doch Meine Stimme. -

 

XXI

 

Sie gaben sich ins Joch  in dunklen Zwang

Und dem anheim  der streng sie darin bannte

Nachdem er ihnen tief sein Zeichen brannte

Wie leicht  sie sich zu knechten  ihm gelang!

 

Sie lauschten  dass er ihnen nur befehle

Und dankten dass sein Wille durch sie schuf 

Was ihrer Hand erwuchs. In seinem Ruf 

(Ihm Werkzeug waren sie  er ihre Seele)

 

Besang manch Künstler ihn  beschrieb und malte

So ragte ihm geweihtes Haus am Ort

Und all Geschaffenes zu Glanz erstrahlte

 

Zum Glanze auch des Eisens für den Mord

An dem zu tun  der trinkend einmal prahlte 

Des Glaubens  er sei frei und dürfe fort.

 

XXII

 

Dort wo im schaumigen Sprühn umtoster Klippe

Die Grenze zwischen hier und unten liegt

Sich teilt die zahlreich landgebundene Sippe

Von jener die das dunkle Wasser wiegt

 

Da zeigen scheuer Krebs sich und die Assel

Wie langsam kriechend sie  dann unbewegt

Doch stets benetzt vom gischtenden Geprassel

Sich nah der Brandung auf den Stein gelegt.

 

Im trockenen Sande wohnen Otter  Spinne

Wo auch die Echse sich der Sonne neigt

Und das  was sie als ihre Beute kennen.

 

Doch ganz weit oben an der brüchigen Zinne

Zum Flug ein Vogel seine Flügel zweigt

Die ihn vom Wasser und der Erde trennen.

 

XXIII

 

Montagne Sainte Victoire

 

In blauem Klirren flirrt das Licht des Südens

Und Schatten dunkel violett umtanzt

Das scharfe Grün zur Mitte eingestanzt

Land unterm Sommer doch kein Bild des Friedens.

 

Unendlich hinten weiter Ebene zeigt

Nach der Verworrenheit durchfurchter Nähe

Als ob man ihn aus Glas gebildet sähe

Ein Berg der dort am Horizonte steigt.

 

In heller Ruhe sich sein Rücken schwingt

Des Name singt von einem heiligen Siege

Und lässt voll Ehrfurcht denken an den Einen

 

Der nur mit Hand und Auge ihn bezwingt

Ganz ohne dass er je den Fels bestiege -

Sein Werk macht immer diesen Berg den Seinen.

 

XXIV

 

Die Zeit  da wir den Herren noch besangen

In Bau und Bild  Gebet und in Gedichten

Da es ein Trachten war  an ihn zu richten

Ein jedes unserer Lieder  ist vergangen.

 

Vorbei  da stete Furcht vor hoher Strafe

Und seinem Zorn all unsere Kräfte lähmte

Des Drangs der Jugend sich ein jeder schämte

Geknechtet noch bis hin zum tauben Schlafe.

 

Vorbei und um. Er stirbt mit unserem Bangen

Da unterwürfig wir den Strengen preisend

Uns selbst verratend  ihm doch angehangen.

 

Die Zeit sieht unser Denken nicht mehr kreisend

Um den Einen. Ärmer sind wir freier

Den Gang zu üben um des Lebens Feuer.

 

XXV

 

Der Äther eint  nun dunkler Nacht entbunden

Der Sonne sich  die diesen Tag bezeugt

Und wer da liegt in dumpfen Schlaf gebeugt

Erwacht  sich seiner Herrin zu bekunden.

 

Obwohl der neuen Fron noch nicht geneigt

Vom Vortag jene ist erst kaum verwunden

Die ihn so müde ließ und so geschunden

Ist es Gesetz  dass er erneut sich zeigt.

 

Ihn erst der ferne Abend wieder schone

Indem das Werkzeug seiner Hand entgleitet

Im Schweiße er  was sich da schuf  besieht.

 

Nur kleine Münze warf der Tag zum Lohne

Doch jeder Morgen neue Tat bereitet

Und lässt den reich  der so sich stetig müht.

 

XXVI

 

Begehrte manches - hab es dann verloren

Es hat das strenge Leben mich bestraft

Weil ich zuviel  zur Unzeit mir gerafft

Nun steh verarmt ich  doch wie neugeboren

 

Vor einem kleinen Wasser  dessen Stille

Des Tiefe  den  der sich darüber bückt

Befreit von Sehnsucht wie es ihn berückt

Und ahnen lässt die hier geschenkte Fülle.

 

Nicht nur mein Tun dem Nutzen zu verwenden

Will ich  eh sich dem Greis die Kräfte neigen

Das spät Gefundene sich in Trauer leere

 

Geschöpfte Feuchte mit den bloßen Händen

Aus diesem Quell noch tragen  ganz mein eigen 

Derweil sie mir zerrinnt - hinab zum Meere.

 

XXVII

 

Es sind die weiten Wasser dir gewogen

Das tiefe Blau  das von den Himmeln sagt

Des Bruders Herz  das gütig nach dir fragt

Der hohe Zweig zum Schatten dir gebogen

 

Dein Mut  der vor dem Düsteren nicht verzagt

Dein Aug und Ohr von keinem leicht belogen

Dein Wort nie auf ein Nichtiges bezogen

Auch keine Schmach die dein Gewissen plagt

 

Nur redlich bist dem Rechtem du verpflichtet

Besorgt um andere  sind sie dir doch nah

Wie du dir selbst  so unscheinbar gekleidet

 

Du die den Widerstreit der Nächsten schlichtet

Und sie doch immer neu im Hader sah

Doch am Vergeblichen des Tuns nicht leidet.

 

XXVIII

 

Die Alte ist es aus dem wilden Garten!

Im Lampenschein verriet sich ihr Gesicht

Dass man ihr zusah  merkte sie wohl nicht

Und grub ein Loch um keuchend dann zu warten

 

Was sie dort trieb  war sicherlich von übel

Man schaue nur  verwahrlost wie sie ist

Stinkt so als hätte sie sich vollgepisst

Vom Hause schleppte heimlich sie ’nen Kübel.

 

- Beschwerlich wird mir alles  wie er sagt

Verlässt uns doch die Kraft in späten Jahren

Und Reinlichkeit fällt  wenn es kalt ist  schwer

 

Ich wollte meinen Abfall  eh es tagt

Dass er zur Müh nicht anderen sei  verscharren

Lasst mich jetzt gehn  ich bin ja bald nicht mehr. -

 

XXIX

 

Erfreue dich des Morgens der dich zeugte

Und schweige wenn die hohe Sonne glüht

Wer  der die Tiefe deines Kelches sieht

Nicht gerne sich vor deiner Blust verneigte!

 

Doch wenn die Jugend einst im Duft verblüht

Erwächst dir aus der Schönheit weise Stärke

Und unter deiner Hand gedeihen Werke

Dem dienend  der da arm blieb schwach und müd

 

Schlägst du mit deinem Mut aus altem Gleise

Im Schutz der Herrscherin des Tags  umwacht

Wird Neues dir  all Früherem nicht gleich

 

In Demut gehst du auf die letzte Reise

Und lässt - umfängt dich erst die gütige Nacht

Das Leben  das dich schuf  durch dich so reich.

 

XXX

 

In keiner Tiefe sah ich je den Geist

In Höhen nicht  der gegenwärtig wäre

Im Felde nicht  voll golden-reifer Ähre

Von der im Schweiß der Mensch sich immer speist.

 

Ich spüre nichts von einem heiligen Wehn

Und denke  grab und schaffe meine Tage

Und lache nur als Antwort auf die Frage

Ob alles nicht nach einem Plan geschehn

 

Nach welchem sich die unermesslich großen

So grausen Welten doch vermeintlich drehn

Ich horche  schaue hin  mit meinem bloßen

 

Aug vermag ich solches nicht zu sehn.

Vielleicht wirkt unverstanden  singt ganz leise

Ein mir Verborgenes ewig seine Weise.

 

XXXI

 

Hermine. Erstes Gedicht

 

Im frühen Jahr zerbrach dir schon das Ruder

Des Nachens  welcher dich durchs Leben trug

Vergaßest du auch  wer es dir zerschlug

So ahne ich  es war dein älterer Bruder

 

Die bunte Blust dem heiteren Mädchen stand

So gern allein im leisen Sang und Spiele

Dass es der Knaben Neugier noch nicht fühle

Bis der dich heimlich suchte  dich dann fand

 

Gewalt statt gütigen Schutzes an dir übte

Vor seines dunklen Auges steter Lauer

Bist du in deiner Ohnmacht nicht geflohn

 

Bald wich dein Lächeln unbemerkt der Trauer.

Den  der das Kind  die Schwester damals liebte

Verfluche ich  der Greisin greiser Sohn.

 

XXXII

 

Hermine. Zweites Gedicht

 

Dass ich mir diesen Körper nahm und liebte

Der klein und ängstlich zitternd bei mir liegt!

Wie schnell regt sich die Gier wo Halt versiegt

Gebiert bald Scham und Abscheu das Verübte.

 

Still Schwesterchen  damit uns niemand hört

Denn schnell folgt diesem Spiele streng die Strafe

Mein Kleines  sei nach außen nur die Brave

Nun nicht mehr keusch  bleibst du mir doch so wert.

 

Wir dürfen jetzt einander nicht verraten

Begehren  als ich dir die Fibel las

Wuchs mir beim Anblick deiner zarten Glieder

 

Noch weit von einer Frau zu üppigem Maß.

Für solches  das wir heute heimlich taten

Find ich dich im Verstecke morgen wieder.

 

XXXIII

 

Hermine. Drittes Gedicht

 

Ich hatte nur an meines Bruders Hand

Den Mut  des Lebens ersten Schritt zu gehen

Die ich am Spiel mit ihm nur Freude fand

Jetzt graust es mich  muss ich ihn plötzlich sehen

 

Wo ängstigend sich immer Geister lösten

Des Nachts die Eltern fern  die Amme auch

Nahm er mich zu sich um mich lieb zu trösten

Jetzt wird mir Angst in seinem schweren Hauch

 

Der heiß unheimlich stößt  so jäh und weh

Doch was mich schmerzt  macht ihn so wild versessen

Und bitt ich ihn  er soll's nicht tun und fleh

 

Verschließt er mir den Mund derweil ich spreche

Bin so allein und will mich nur vergessen

Da ich an dem  was mir geschieht  zerbreche.

 

XXXIV

 

Hermine. Viertes Gedicht

 

So früh  dass mein noch zartes Leben bebte

Hieß es vom jungen Mädchen  ich sei schön

Doch über's Schreckliche  das mir geschehn

Sich dumpfe Gräue des Vergessens legte

 

Nur weiß ich  hat man mich verhöhnt  verlacht

Wie grausam waren der Geschwister Waffen

Die strenge Mutter geißelte mit Strafen

War ich nicht böse  hat sie's mich gemacht

 

Ein Bangen steigt in mir vor meinem Leibe

Der wächst und feuchtet und sich  fraulich rundet

Schon Gier erweckt  wo nur das Kind sich zeigt

 

Verwirrung ist Begleiterin dem Weibe

Die stete Angst das Dasein mir verwundet

Erst jetzt im Alter wird sie müd und schweigt.

 

XXXV

 

Viel eher sprach ich  als ich anderen lauschte

Und hab ein hartes Urteil mir gestattet

Entäußert mich in Liebe nie begattet

So dieses schale Leben nicht berauschte.

 

Doch wo sich's mir in seinem Reichtum bot

Da trat ich  was aus Güte sich zu schenken

Gedachte (Knecht des düsteren Drangs zu kränken)

Furcht war vor aller Nähe meine Not.

 

Durch kein Versprechen fühlt' ich mich verpflichtet

Half auch nicht gern wo man mein Mitleid rief 

Den Freund  hab ich mir nach Bedarf gepachtet

 

Verhöhnt ihn drauf verleumdet fast vernichtet.

Die Ahnung aber wuchs dass wenn ich schlief

Sich rächend man mir nach dem Leben trachtet.

 

XXXVI

 

Noch wach den Blick auf Haus und Ross und Mannen

Und auf den Kindern weinend dort im Kot

Dem großen Land  in seiner steten Not -

Da nimmt er seinen Stab und geht von dannen

 

Spürt jäh dass er als hohes Ziel verlor

Was sich an Tat und Ruhm ihm bot. Es grämte

Ihn nicht  dass Freund und Frau sich seiner schämte

Bis noch zuletzt lieh jedem er sein Ohr.

 

Von einem Andern weiß er sich mit Macht

Genannt. Nach  würdigem Dienst nach lauten Tagen

Geschieht jetzt spät dass sich sein Herz bereitet

 

In heiligem Ernst beginnt es aus ihm sacht

Zu Dem zu sprechen  Dem sich anzusagen

Des Hand von fern ihn lenkend stets begleitet.

 

XXXVII

 

Verworren zeigen kahl sie ihr Gewebe

Vorm grauen West der stürmisch sie benetzt

Erinnerung an Wärme jäh zerfetzt

An Blätter-Flimmern noch in Sommers Schwebe

 

Im summenden Geflüster lauer Luft

Damit in brünstiger Wiederkehr der Jahre

Sich ihnen blauer Hauch der Schatten paare

Umwölkt von Pollen und dem blumigen Duft

 

Des trächtigen Gartens  sonnig prall geweitet

Und dessen Gestern nun herüber bleicht.

Wie dem zerzausend kalten Winde wehren

 

Der jetzt durch alle dunklen Tage streitet

Bis dass des Winters Starre näher schleicht

Nur Wunsch noch lässt sich in den Tod zu leeren.

 

XXXVIII

 

Du mir ein Bruder  der die Stille sucht

Und nicht verdammt  dass er in bleichem Fleiße

Am andern immer rächend sich verschleiße?

Du bist mir fremd und allem gleich verrucht.

 

Lehrst mich die Furcht  kehrst du in Wettern wieder

Verachtest lachend Laue die bei Lauen

Wohnen. Der durch seines Innern Grauen

Gehn muss  legt sich nicht zum Kosen nieder.

 

Du badest dich des nachts im eisigen Bache

Und findest kurzen Schlaf auf rauem Stein

Erinnerung-Schweres rinnt zu einer Lache

 

So trüb und braun vom Reste alten Blutes

Darin sich spiegelt all dein düsteres Sein

Was du auch immer tust  ist nie ein Gutes.

 

XXXIX

 

Vergilbte Bilder die gleich Mumien schliefen

Vergangenheit die niemand mehr besaß

Einst wohl verwahrte und alsbald vergaß

Nun plötzlich im Erwachen flehend riefen

 

Um dann aus ihrem Gestern eine Mähr

Zu erzählen  krächzend vorzusingen

Aus Liedern deren Worte sich verfingen

Ganz so  als ob das alles wichtig wär.

 

Sie seufzten viel und unter Weh und Wimmern

Zeigten sie was an Erinnerung stieg

Aus angehäuftem Wirrwarr des Gelebten

 

Den Traum  vom kleinen Glück an dem sie klebten

Die leeren Tage in den engen Zimmern

Die Niederlagen ohne einen Sieg.

 

XL

 

Ich habe mich dem Guten oft verbunden

Das Wahre als mein hohes Ziel genannt

Vom Schönen manches  das ich traf  erkannt

Nur einen Frieden hab ich nicht gefunden.

 

Bringt Hub der Frühling  Hege junger Saat

Der Sommer Wuchs  doch dass ich meine Tiere

Im Hunger harschen Winters nicht verliere

Will Herbst die Ernte  will das Jahr die Tat.

 

Ich lang der steten Mühsal doch Gewohnte

Hab vieles  habe dennoch nicht erreicht

Dass bei mir blieb  was sich erst zeigt im Fliehen

 

Das Leben hat mein Haupthaar schon gebleicht

Und mich gebeugt  derweil es mich entlohnte

Doch viel zu kurz das Glück mir nur geliehen.

 

XLI

 

Der Blume kühles Glühn im frühen Dämmer

Das schläfrig-sanfte Schwanken ihres Kelches

Und eines Muttertieres Auge  welches

Dem Blöken folgt der weit verirrten Lämmer.

 

Ein Sommerhimmel regenschwer verhangen

Behausung traulich selbst mit brüchigem Dache

Des Lebens Puls in Rinnsal Bach und Lache

Der Tag nun müde und schon fast vergangen.

 

Ganz wie auch müde wird des Menschen Wille

Der früh schon hastend diese Welten treibt

Bis sie den Lohn in Silber ihm gewähren.

 

Jedoch beschenkt von allen Daseins Fülle

Mag   deren Vielgestalt er mitten bleibt

Den immer Hungernden dies kaum zu nähren.

 

XLII

 

Angkor Thom

 

Von Sonnengluten und Monsun gegeißelt

Steht hoch aus dunklem Stein erstarrte Blust

In Kampf und Tanz der Scharen dichter Wust

Vom Hauche jener voll  die sie gemeißelt.

 

Noch thront das Herrscherantlitz auf den Toren

Steil führt die Stufe in einst heilige Räume

Im weiten Hofe wachsen mächtige Bäume

Natur  die lang den Menschen schon vergaß

 

Da lange sich sein Beten hier verloren.

Neu wob die Wildnis ihre feinen Glieder

In jeden Spalt  der sich ihr bot zum Fraß

 

Und sprengt - (wo Fledermäuse Heimstatt koren

Fällt ätzend auf den Stein ihr Kot hernieder)

Vergessenen Königsgottes Ebenmaß.

 

XLIII

 

Vernehmbar kaum ein Schrei aus blauer Leere

Weit überm Brodeln wo vom Wind bewegt

Die Welle donnernd auf den Fels sich legt

Wind streng von Osten weht er überm Meere

 

Der Schrei gleich einer Klage hört sich wieder

Durch steter Brandung immer neues Rollen

Vom Jagen müde und vom vielen Wollen

Trocknet jetzt ein Vogel sein Gefieder

 

Hockt dunkel auf dem Bug des alten Bootes

Das ehdem hinten in der Bucht vertäut

Vergessen wohl  geschützt vorm Meerestoben

 

Doch zwischen grauem Stein umher verstreut

So viel Vergessenes liegt und soviel Totes

Da – dieser Schrei schon wieder ganz weit oben.

 

XLIV

 

Es steigt ein Ahnen an entlegenen Stellen

Dass erster Weltenrausch uns sichtbar bleibt

Wenn Luft sich  Fels und Flut vom Tanz betäubt

Einander unter Tosen beigesellen

 

Da Woge grün um Woge aufgebäumt

Im Brechen noch das raue Riff umwirbt

Und sinkend sich verzehrt. Doch niemals stirbt

Was schon zur Klippe wieder sehnend schäumt.

 

Vom Meer die steten Winde lassen sacht

Im Sand den Halm und niederen Busch sich neigen.

Aus dunklem Blau das strenge Taglicht glüht

 

Ganz nahe  wo die Gischt den Stein besprüht

Blitzt unten dort der Fische Silberreigen

Und alles bebt und ebbt und fließt mit Macht.

 

XLV

 

Wär gern die Blüte  schön an einem Tage

Die Welle  die sich bricht und nicht mehr ist

Ein Schmetterling  der sich im Flug vergisst

Will keine Antwort sein  nur eine Frage

 

Will nicht der Hammer sein und nicht das Werk

Der Amboss nicht und weniger noch das Feuer

Bin ohne Recht gepresst in bittere Heuer

Und wär so gern die Pflanze dort am Berg

 

Ganz ohne Nutzen  die im Wind sich wiegt

Und wachsen darf weil's Vieh sie nicht begehrt

Vielleicht sogar die sonnen-warmen Lüfte

 

In welche sie sich traulich neigend schmiegt

Der Vogel noch  der sich vom Samen nährt

Die Blüte wär ich gern samt ihrer Düfte. .

 

XLVI

 

In dunkler Nacht  da stilles Blau im Raume

Unendlich steil als eine hohe Wand

Vor dem vom Schlaf geschlossenen Auge stand

Entfaltete sich jäh in meinem Traume

 

Ein Bild von einem Engel  welcher sprach

Und Dinge zu mir sagte. Denen lauschte

Ich hingegeben  jedes Wort berauschte

Die Seele mir  dass sie vor Glück schier brach.

 

Als früh der kühle Morgen endlich graute

Und alles Blau bald einem Nebel wich

Der träg vom Tale her begann zu steigen

 

Mein zager Geist sich zu erwachen traute

Doch Glanz und Wort des Traums so rasch verblich

Dass wie verwaist ich ward dem Tag zueigen.

 

XLVII

 

Im Himmel bleicht der Westen hoch und fahl

Und eisig überm Blau der stillen Schatten

Verloren auf den winterrauen Matten

Liegt braunes Laub  stehn Bäume wund und kahl

 

Gebeugt sie lang an ihrem Alter tragen

So manchem böser Sturm die Krone brach

Der trockenen Sommer Strenge in ihn stach

Und von der Axt liegt anderer schon erschlagen

 

So wird in späten Zwielichts müdem Raunen

Ein Ächzen schmerzlich hörbar  letzter Tage

Dann ganz gedämpft ein rauschendes Erstaunen

 

Wie sterbenden Geschöpfen es entfährt

Hebt zweifelnd an im Tone einer Frage -

Bis dass der Tod auch hier sich festlich nährt.

 

XLVIII

 

Nur in die Dunkelheit hineinzulauschen

Das Dorf  das schlafende  so bleich zu sehn

Im Licht des Mondes  durch das Feld zu gehn

Hin  wo verträumt die alten Bäume rauschen

 

Des Baches Murmeln  welch ein trauter Klang

Der nicht mehr bricht wie tags  wenn Fische schlagen

Zurück aufs Wasser  da sie Beute jagen

Dort drüben einsam eines Vogels Sang

 

Den Frieden dieser kleinen Welt bedauernd

In einem heiseren immer gleichen Lied

Und alle Sommerabende durchschauernd

 

Dann wird es still  kurz einmal bellen Hunde

Vereinzelt flackert Licht noch schwach und müd

 - Wie kühl es wird zu dieser späten Stunde.

 

XLIX

 

Es bricht die Axt von einem Stamm der Scheite

Eins mit harzigem Ast  ganz eigenem Wuchs

Schnell gewogen  leicht befunden  flugs

Ganz ohne Acht wirft eine Kraft ins Weite

 

Was kurz sich hebend schwebt in langem Sturz

Von Wurfes Wucht sich um sich taumelnd wendet

Droht naher Fels  dass sich die Bahn schon endet

Springt es zum Trotze wieder auf und kurz

 

Von Stein zu Stein geschleudert durch den Grachen

Ächzend lösen Splitter sich vom Rumpf

Da prallt es endlich nieder auf dem Flachen

 

Bei vielen anderen Scheiten  welche blieben

Teil des sie waren  aufgeschlagen  stumpf

Sich fremd  getrennt im Mark von fremden Hieben.

 

L

 

Und wieder stößt sein abgestumpftes Horn

Löst vordem festen Stein  die Hölzer krachen

Doch wird ihr Sturz nur größeren Groll entfachen

Zurück wirft sich’s und immer neu nach vorn

 

Voll dumpfer Wut  die lang ihr Ziel verloren

An diesem niederen Ort voll Stroh und Dung

Steigt schwach ihn ihm noch die Erinnerung

War es denn wirklich für das Joch geboren

 

War es nicht heimisch einst der freien Weite

Da Sonnenglut es traf auf grünem Hang

Und ehrte seinen ungestümen Drang

 

Im wilden Fliehn an der Geschwister Seite?

Die Kette  die nun seinen Leib umfasst

Lässt Ohnmacht nur und allen Tag verhasst.

 

LI

 

Berenike. Erstes Gedicht

 

An unseres alten Reiches äußerem Rande

Stand eine schöne Stadt und allerorten

Bewachten streng die nördlichen Kohorten

Dass Ordnung hier sei wie im ganzen Lande

 

Und aus des Hafens Saumkorallenriffen

Wo zahniger Barsch wohnt und gefleckter Rochen

Sind einst die Segler mutig aufgebrochen

Nach Asien in ihren schwanken Schiffen

 

Heut leben immer Qualle noch und Aal

Im dunklen Blau  doch oben in den Trümmern

Der einst so hehren Stadt geht leises Wimmern

 

Des Wüstenwinds  Staub lässt den einsam fahl

Bestraft von steiler Sonne  den verloren

Des Liebe lang Vergangenes sich erkoren.

 

LII

 

Berenike. Zweites Gedicht

 

Spür ich im Herzen wieder diese Leere

Vermag mich unseres Nordens grüner Schoß

Nicht mehr zu halten  sehne ich mich bloß

Zu jener Stadt hin dort am fernen Meere

 

Wie sie umspielt von Alge  Fisch und Welle

Still  unbewohnt nun schläft an jenem Strand

Umworben nur vom warmen Wüstensand

Stieg nie die Feuchte noch auf ihre Schwelle

 

Ein steter Hauch besingt sie  die da liegt

Und alle ihre Menschen lang vergaß

Ließ deren nackter Fuß einst keine Spuren

 

Hier gaben  die in Schiffen sich gewiegt

Von Indien Schätze preis in reichem Maß

Doch kein Geheimnis  das sie dort erfuhren.

 

LIII

 

Berenike. Drittes Gedicht

 

Der Traum sah jenseits dunkler Horizonte

Die drohend stets den Suchenden beengt

Dass sich die Seele  wund und so gekränkt

In milden Himmeln fernen Meeres sonnte

 

Hin über den behauenen Stein sie ging

Der blieb von einer Stadt vergangener Siege

Wo schwer sie am Erinnern nicht mehr trüge

In dem sich vordem alle Trauer fing

 

Des Ortes Atem lässt sie ganz genesen

Aufragend hoch gleich jener Säule stehn

Zur Richte um den Irrenden zu segnen

 

Jetzt will aus frühen Leben die gewesen

Ein Bild zu ihr hin übers Wasser wehn

Und neu wird sie in ihm sich selbst begegnen.

 

LIV

 

Wenn in das Grün am Hang gelegener Weiden

Vom Tau des frühen Tages kühl benetzt

Nachdem die strengen Schnitter scharf gewetzt

In tödlichem Gezisch die Sensen schneiden

 

So will - obwohl des Sommers Sonne scheint

Mich duftend-schwangere Lüfte sanft umstreichen

Vor meinem Ende klamme Furcht beschleichen

Ist jeder Halm Geschwister nicht und Freund?

 

Das Gras in jähem Taumel - blühend stand

Es eben noch - sich sterbend schon im Fallen

Auf einem rohen Haufen wiederfand

 

Gebrochen nun von stahlbewehrten Krallen

Zum Dörren weit geworfen auf das Land

Verpresst mit Blatt und Blust zu stumpfen Ballen.

 

LV

 

Was wir einst rafften  kam uns selbst abhanden

Was wir einst schufen  fraßen Krieg und Glut

Was wir noch erbten  war eh Diebesgut

Das durch der Brüder Hand ging bald zuschanden

 

Was wir bezeugten - Tugenden von gestern

Was wir gelobten war nur Hauch und Schaum

So wenig galt das Wort als wie der Traum

Aus einem schäbigen Bette flüchtiger Schwestern

 

Ein jeder arm  und was noch in uns schlief

An Gutem  war nur Staub im Eck geblieben

Vergessen lang  von keinem mehr bedacht

 

So hat  wenn sich besinnend einer rief

Wir sollten doch einander wieder lieben

Wer ihn denn hörte  nur verschämt gelacht.

 

LVI

 

Vergeblich  scheint vergeblich alle Mühe

Dass an der Tugend auf ein Mensch sich rankt

Wie bald er schon verzagt und zaudernd wankt

Dazu das Straucheln sich auch nicht verziehe

 

Des kranken Glaubens  dass er immer krankt

Allein Unfehlbarkeit ihm Segen liehe

In keuschem Sein nur Heiligung gediehe. -

Das Leben aber Weniges verdankt

 

Dem Gottesfürchtigen von Gebet geleitet

Doch dem  der raubend um die Gattin wirbt

Der Seines will und es im Kampf erstreitet

 

Ihm liegt kein Feld brach  löscht sich nicht der Herd

Er sorgt  damit sein Same niemals stirbt

Und Leben sich aus seinem Leben mehrt.

 

LVII

 

Wenn wir nicht so viel söffen  soviel fräßen

In unserer Gier nicht  unserem hastigen Raffen

So tierisch ähnelten dem haarigen Affen

Den Unterschied zu ihm nicht stets vergäßen

 

Um zähnefletschend andre zu verlachen

Die in des Schicksals Schlingen sich verrennen

Und ohne Rührung vor uns hin zu pennen

Anstatt an dieser Welt was gut zu machen.

 

Wenn manchmal an den anderen wir dächten

Statt selbst uns zu verwöhnen  faul und eitel

Wenn wir  statt nur zu nehmen  mal was brächten

 

Nicht lau gern alles hätten und noch seichter

Den Kopf nicht nur beim heiligen Blech und Beutel

 - Ertrügen wir einander etwas leichter.

 

LVIII

 

Selbst schweigend  wenn die andern heftig sprachen

Alleine dort  wo andere sich vereint

Bejahend  was die andern schnell verneint

Noch hegend  was im Zorne sie zerbrachen

 

Und das verehrend  was die Welt verwarf

Betrauernd  was die andern gern verlachten

Und wo in blindem Drang sie Dinge machten

War tätig nur sein Geist  das Auge scharf

 

Maß die Gefahr von gierigem Verlangen

Nie in Gewissheit  nur die Fragen ahnend

Ein Innehalten  wo sich alles regt

 

Ein stilles Schaun auf  wirres Unterfangen

Und tröstend eher als in Strenge mahnend

Ganz Teil des Lebens - selbst doch unbewegt.

 

LIX

 

Liedchen

 

Es schweigt der Turm mit seinen steilen Stufen

Das Meer hat alle Lieder ausgebleicht

Mit denen seine Sehnsucht hier vielleicht

Schon manches Mädchen in die Nacht gerufen

 

Es steht der graue Turm mit blinden Augen

Steht alt und müde  lauscht und ist erstaunt

Da neu ein Lied jetzt übers Wasser raunt

Und Wellen schon es suchen auszusaugen

 

Zu seinen Füßen aber vor dem Tag

Als erst ganz zaghaft sich der Himmel klärte

Das Meer hinauskroch übern seichten Sand

 

Das Meer  das lüsterne  das sich ernährte

Vom Liede eines Mädchens  das da lag

Den Liebsten rufend  und im Tod ihn fand.

 

LX

 

Verloren fand ich mich und wusste nicht

Woher der Wind an diesen Ort mich sandte

Ich war allein - nur jener Unbekannte

Im ruhigen Wasser dort stand sein Gesicht

 

Das aus der Tiefe still den Blick mir bannte

Sein Haupt umflort von Wolken und von Licht

Mir graute so - dass jedes Wort gebricht

Und ich vor lauter Furcht ins Weite rannte

 

Doch alle Wege  die im Fliehn ich sah

Gerieten  wie sie sich verwirrend boten

Ins Dickicht oder bald an hohe Hürde

 

Ich musste bleiben  mit dem Fremden da

Der alle Tage nun mir nah sein würde

Mein Feind - mein eigen?  Das war auszuloten.

 

LXI

 

Müde webt ein Weg sich durch den Sand

Zum alten Haus hin unter dunklen Bäumen

Verträumt in immer wieder gleichen Träumen

Da zögernd schon des Nordens Tagblau schwand

 

Bald schlafend liegt das Moor zu beiden Seiten

Wie auch die Wiesen still im kühlen Grün

Da sie sich mählich in den Abend ziehn

Den dämmrigen  zur Nacht der nicht mehr weiten

 

Darüber wölbt sich spätes Silber-Licht

Gemalt in eigen niederländischer Weise

Löst in mir des Erkennens jähen Schauer

 

- Hier lebtest du einmal - so spricht es leise

Aus dem so trauten Bild steigt meine Trauer

Umfängt mich ganz und lässt mich nicht.

 

LXII

 

Mehr als der Leib noch wollte sich mein Auge

Voll Hast in seiner ungehaltenen Gier

Voll Furcht vorm morgen sättigen jetzt und hier

Wiewohl es bald zum Prüfen nicht mehr tauge

 

Da träg und ungeübt der feinern Sicht

Säh es durch solchen Missbrauch schier verdorben

Die Heiligung  die du dir still erworben

Die dir erwachsene Aureole nicht

 

Im fremden hehren Wort such ich nach Lehren

Als ob des Herzens Reichtum  deine Güte

Nicht dich als meinen Engel mir verriete

 

Und seist du fern - im Taumel auf den Meeren

Des Leids - kann ich mich dennoch wehren

Bist du mir gut  kann sich mein Schicksal kehren

 

Und liebend will ich immer dich verehren!

 

LXIII

 

Nur Welle  die sich auf dem Sande bricht

Nur Klang im Schweben  der ein Ohr berührt

Und sich alsbald verliert. - Nur Rauch

Der aufsteigt und im hellen Blau verlischt

 

Nur Hauch  von einem heiteren Bild vielleicht

Das dem der’s schauen will  zur Seele geht

Verweilt - von einem anderen ausgebleicht

Bald auch schon im Vergessen still verweht

 

Ein leises  gütiges Wort  dem der es hört

Nicht taub ins eigene Verließ gebeugt

Ein Wort nur das nicht andere Kreise stört

 

Ein allerletzter Blick im frühen Licht

Da eben neuer Tag der Nacht entsteigt

Erinnern an ein liebendes Gesicht.

 

LXIV

 

Dem bösen Pfeile gleich  von einem Bogen

Auf weites Ziel mit scharfem Aug geschossen

Wie Gift verdeckt in  frischen Trank gegossen

Dem Handel gleich  der einen lässt betrogen

 

Und Lachen  das zum Schmerz sich wandeln muss

Ein Freund bis gestern noch dem Freund gewogen

Dann doch frühmorgens heimlich fortgezogen

Ein Biss  der sich gebar aus süßem Kuss.

 

Wie Blei und Stein schwer lastend ein Gewicht

Das jahrelang mir auf dem Rücken saß

Bis allem Schritte schier die Kraft gebrach

 

Es sind die Worte  die ich einmal sprach

Und über ihnen furchtbar ein Gericht

Das ihrer nicht ein einziges vergaß.

 

LXV

 

Nicht jene  die in Frömmigkeit sich üben

Auf wunden Knien dem Gotte zugetan

Und die nicht  die in ihrer Sehnsucht an

Den einen sich verschwenden  den sie lieben

 

Der nicht  der nur als Helfender sich sieht

In lauterem Dienste an den Schwachen  Armen

Von sich nichts weiß   nur wissend sein Erbarmen

In dessen Knechtschaft er sich stetig müht

 

Auch nicht ein strenger Meister mächtigen Wortes

Den Schritt mir zwinge hin zum fernen  hehren

Und düsteren Bild  das Heiligung verheißt

 

Tyrannisch alle Enge hohen Hortes.

In säumigem Irren will mein Sein sich mehren

Der Pfad das Ziel - ich barfuß und verwaist.

 

LXVI

 

Im Schutze krustig wuchernder Koralle

Schaut es aus blauem Zwielicht unverwandt

Mich ruhig an  wach das goldene Auge

Und wo verspielt der leichte Schlag des Leibs

 

Der Strömung Schwall es kurz zur Helle trägt

Erglänzt die Haut  glüht auf die farbige Schuppe.

Da schießt der Schaft  das Eisen mit dem Dorn

Schnellt salz-zerfressen scharf und trifft

 

Dringt tief ins weiße Fleisch  das plötzlich bebt

Sich schlagend bäumt im Schmerz  kein Fliehn

Sich schlagend windet an dem Schrecklichen

 

So furchtbar Starren und weh durchdringenden.

 

Erstickt unendlich langsam auf dem heißen Sand

Erlischt unendlich langsam blauer Traum der kühl

Das Leben war  erstirbt das goldene Auge.

 

LXVII

 

Im Grollen niemals aller wüsten Weiten

Nahm euer Gott mich wahr  hat mich erkannt

Hat gütig mahnend sich mir zugewandt

Ein Ende fordernd blutiger Gezeiten.

 

Wie nun der Friede als Gesetz mich drückt

Und Schwerter müde nicht mehr mögen streiten

Mir  dem Gesell von Kampf und Widrigkeiten

Dies laue Dasein wenig Freude schickt.

 

Mein Hohn der Liebe  Hohn dem schön Gedachten

Lässt leichte Heiterkeit des Tags beschmutzt

Und dann das Glück - soll was mich flieht ich suchen?

 

Wir würden doch einander nur verachten

Wo sich im Zwang mir jedes Wort missnutzt

Versag den Tanz ich  um dem Lied zu fluchen.

 

LXVIII

 

Bleich in den grauen Himmel Finger reichen

Sie zeigen hier und dort noch weniges Grün

Und tief von Westen her ein müdes Glühn

Unmerklich fast ein mähliches Entweichen

 

Der lichten Tage  die hinunter ziehn

In ihrer Jugend reich  ganz ohnegleichen

Nun kaum noch Bild   mehr schon verhauchtes Zeichen

Dem Abschied ähnlich  sterbend im Entfliehn

 

Verhieß doch früher Tag der Wunder viele

Und aller Güter überreichen Teil

Wies jene Gier  die durch den Morgen führte

 

Den Schritt verwirrend nach ganz eigenem Ziele

Wer ohne Klugheit doch sein Werk sich kürte

Ward Amboss  Hammer oder stumpfer Keil.

 

LXIX

 

Dein Fuß  so schön im Stieg auf rauen Steinen

Gebiert Verheißung dass aus deiner Nähe

Dem tiefen Wunsche doch ein Glück geschähe

Schon lässt dein Schritt als wie betäubt den meinen

 

Nun auf mein Auge irrt  ein heftiges  Ahnen

Mir diesen Leib im Traum schon unterwarf

Nur Drang  der deiner als sein Ziel bedarf

Die Mäßigung vergessend keuscher Bahnen.

 

Gebräunt leicht rosig-farbener Schmelz der Haut

Auf Brust und Stirn und frauliches Umweben

Zwingt - so dein Haar vor dem mir plötzlich graut -

 

Mich von dir  Herrscherin ergreifend groß

Ich kann nicht sein  gleich ganz mich dir auch geben

Und fliehe wie entmannt vor deinem Schoß.

 

LXX

 

Die Tränen sind versiegt die wir einst weinten

Verwunden  aller Schmerz  den man uns tat

Und was geriet aus einem bösen Rath

Beiseite blieb’s  da wir uns ihm verneinten

 

Geh auf du klugen Wortes gute Saat

Begonnen jetzt  was stets zu tun wir meinten

Wo unsere Kräfte sich vorm Werk vereinten

Wächst üppig schon die Ernte hin zur Mad.

 

Und wenn der Sturm das reife Korn durchfeuchtet

Ein Stein der Sense raue Scharten schlägt?

Dann wird die Sichel noch den Schnitt vollenden

 

Und immer neu die gütige Sonne leuchtet.

Den segnend  der in Ihrem Dienst sich regt

Gibt Sie der Mühe Lohn zu seinen Händen.

 

LXXI

 

Zu weit die Himmel die sich schwankend türmen

Zu tief die Wasser die der Abgrund birgt

Zu wirr und düster  wo der Pfad sich wirkt

Die Glut zu heiß  dass blind wir uns nicht schirmen

 

Zu schwer der Schlaf der matten Leib befällt

Zu lau der Mut  verführerisch das Schwache

Das in uns wohnt. Und eines Träumers Sache

Wär es  dass er sich rührt und selbst erhält?

 

Zu leis die Stimmen  die den Sucher führen

Zu klein der Wille der sich bald verrät.

Das strenge Leben lässt uns plötzlich spüren

 

Zu neuen Taten ist es fast zu spät

Obwohl Gesetz war  dass ein Feld wir küren

Und hätten statt zu säumen dort gesät.

 

LXXII

 

In stillem Zauber sich die Himmel zeigen

Es dämmert kühl durch hoher Bäume Schlucht

Nur einer krächzt der diesem Frieden flucht

Doch wissend  es ist alles ihm zueigen

 

Gleichwohl  was schlagend er umfliegt  verrucht.

Jetzt wirkt die Sonne langsam und im Steigen

Sich ihre Strahlen auf die Erde neigen

Den segnend  der nicht einen Sinn mehr sucht

 

Nur sieht das Wunder ehrend ausgebreitet

Wie eines allem anderen beigesellt

Sich aus dem Schlafe hin zum Tage weitet

 

Zum Tag hin  immer glühender erhellt

Vor dessen Glanz  kein Vogel nun mehr streitet

Und schweigend diesem Rausche ganz verfällt.

 

LXXIII

 

Willst du zum Tag nicht dessen Strahl schon rief

Aus jener düsteren Wüste  felsigen  wirren

Mir war  als wollte sich dein Fuß verirren

Und dass dein sonst so waches Auge schlief

 

Sieh wie die Geier kreischend dich umschwirren

Weit unter dir das Meer so wild und  tief

Vereist der Pfad den noch kaum einer lief

Hör drohend das Gebrüll herüberklirren

 

Von Kampfes Ort. Willst du nicht eignen Herd

Den kleinen Frieden in vertrauter Hütte?

Ist dir nichts wert  was gern sich jeder nimmt?

 

- Mein Gang führt durch die Nacht  fremd aller Sitte

Lässt einsam ohne Heim mich nur dem Schwert.

Und meine Schritte sind mir vorbestimmt. -

 

LXXIV

 

Wie Sand zerronnen Tage  Monde  Jahre

Vergangen so als wie ein Rauch im Flug

Da er gewirkt zum Krieg die Maske trug

Doch jetzt in Furcht stand  dass auch keiner starre

 

In das nun trübe Auge und es schlug

Damit er nicht mehr Raubes Gut sich schare

Trotz  steter Gier und Kampfesmüh der Bare

Sei - Herr noch eines Wenigen genug.

 

Zu eigen  den vom Rost behauchten Herd

Der jenen fernen Lebensmorgen wärmte

Die Trümmerstatt des lang geflohenen Gestern

 

Geborsten eisen-unvergänglich wert

Dort wo er einst in frühem Spiele lärmte

Erinnerung an den langen Blick der Schwestern.

 

LXXV

 

Eintönige Brandung  die so träg und schwer

Noch mächtig  doch an dunkle Klippen schlägt

Und deren Dunkelheit nach außen trägt

Ins leere  von der Nacht beschlafene Meer.

 

Im engen Hafen  wo sich Boote wiegen

Kommt  da sie ihre bunt bemalten Wangen

Umkost  die Welle  schon im Tang verfangen

Auf durstigem Sande endlich zum Erliegen

 

Der kurz erglänzt  bevor er wieder taub

Und brach  da nur von Kieseln dünn besäht

Im schmalen Mond sich dehnt voll düsterer Gräue.

 

Einmal begehn die Wasser keinen Raub

Liegt doch nur schwach durch-haucht die Stunde spät

Weit überwölbt von grenzenloser Bläue.

 

LXXVI

 

Gewissheit  gib doch nur Gewissheit wieder

Denn Meister sei uns  dessen Macht sie reicht

Nimm  was dem Schwanken brüchigen Bootes gleicht

Der lauen Neigung unbeständiger Brüder

 

Aus unserem Leben. Leben ausgebleicht

In müßigem Verweilen träger Glieder

Verwehend wie im Wind gesungene Lieder.

- Euch meine Jünger führe ich vielleicht

 

Es darf sich euer Denken nicht verwirren

Jetzt sei die Demut Richte allem Tun

Mein Wort allein euch Nahrung und Gebot

 

Ihr würdet ohne diese Strenge irren

Nur keusch sollt ihr in meinem Blicke ruhn

Und treu mir folgen bis hinab zum Tod. -

 

LXXVII

 

Noch blind das Antlitz nicht doch kaum mehr schauend

Vom Licht des Abends nur mehr schwach durchglüht

Hier herrschte Jugend eh sie heimlich schied

Im Traum die heiteren Welten ihm erbauend

 

Wo für den süßen Ruhm ein Lobeslied

Auf alle Kunst genug Tribut gewesen. -

Dann hieß es von dem Traume zu genesen

Und Sie  in deren Fron er sich jetzt sieht

 

Die Kunst, (die Geiz’ge  die dem viel verheißt

Der kosend wünscht  sich ganz ihr hinzugeben)

Jäh wehrt sie der Umarmung streng und spröde:

 

„Du bist Mein Knecht. Gebeugt und alt und blöde

Darfst du noch dienen. Mühe ist dein Leben

Voll Sinn doch  da für Mich du dich verschleißt.”

 

LXXVIII

 

Da wir doch nur die Nacht erleben konnten

Sie süßer Lust geweiht  geheimnisvoll

Aus ihr doch nur uns alle Freude quoll

Versäumten wir die Tage  die durchsonnten

 

In deren Strenge  sich die Tat gebiert

Die stete Mühe an der steinigen Krume

Ein Werk vielleicht das uns gereicht zum Ruhme

Und sich am nächsten Tag nicht schon verliert.

 

Wir schwanken zwischen Müssen und dem Wollen

Dem Traumes-Tanz mit heiteren Gespielen

Und bitterer Pflicht  die wir erfüllen sollen

 

Dem schweren Wenigen und dem leichten Vielen

Ein Segen  sei  will Schicksal sich vollenden

Auf  Wahl der Zeit  des Tuns und unseren Händen.

 

LXXIX

 

Besieh dir  Krieger deinen Zorn und nun

Ihn aus der Hand zu legen sollst du üben

Bist du denn nur ein Knecht von düsteren Schüben

Bestimmt kein gütiges Gesetz dein Tun?

 

Du weißt  dein Hader hindert dich zu lieben

Entzweiend wirkt er wie ein scharfes Band

Der Falle gleich  worin sich schmerzlich fand

Wer nur von seiner blinden Wut getrieben

 

Wie aller Kampf uns trennt  sei jetzt erkannt!

So dass die Eintracht künftig heiterer Tage

Uns ganz beherrsche - keins mehr leiden müsste

 

Kämst du herüber in mein Friedens-Land

(Obwohl den Streiter ehrend  alter Sage)

Ich dann in dir den wahren Held begrüßte.

 

LXXX

 

Ohne Ziel  die du dich salbst  erblühend

Ohne Wissen die du mit dem Munde

An die Ziffer deiner Sterbestunde

Ohne Trauer rührst. Wange glühend

 

Ohne dunkel überm Tag zu sinnen

Tanzt du selbst-vergessen einen Reigen

Junge Frau  so schön in deinem Schweigen

Dinge dich berühren  doch zerrinnen

 

Deiner Hand. Ohne zu erraten

Dass sich andere nach dir verzehren

Wieder andere dir zu Leide taten

 

Träumst geliebt den Gatten dir zu küren

Du  vielleicht den Traum dich zu vermehren

Träumst dich einmal doch im Sein zu spüren.

 

LXXXI

 

Gebet  nur noch Gebet in frommer Rotte

Lässt kurz das Böse  welches sie gedacht

Vergessen - wenn in feierlicher Wacht

Sie ihrer einen opferten dem Gotte

 

Inbrünstig flehend  dass sich sein Verzeihn

Um feilen Preis der Lache warmen Blutes

(Auch sich danach schon Gutes wieder mache)

Aus seiner Gnade ihnen würde leihn.

 

Der düstere Gott jedoch  der geißelnde  so wild

Nach dem nur gierend  was sie ihm geschlachtet

Zwingt sie zu wissen  dass ihm eines gilt

 

Nur ihren süßen Sang sich zum Tribut

Und immer Blut. Er  grausam und umnachtet

Ganz ihr Geschöpf und sie sein Ebenbild.

 

LXXXII

 

Vom Haus noch die Erinnerung von der Ernte

Noch eine Frucht zur Zehr  ein stiller Trank

Beim Nachbarn  da die Sonne eben sank

Der Abschied dann  der vordem nicht gelernte.

 

Der Weg jetzt  den allein es gilt zu gehen

Kein Ziel birgt  keine Ruhestatt  kein Port

So inniglich als wie des Heimes Ort

Den nun zu lassenden ohn’ Wiedersehen.

 

Verflucht   was tief uns in die Furche beugt

Verflucht die Fremde auch   wohin uns stößt

Die Macht der Mütter  die aus Liebe lähmen

 

Sie die mit Knechten Knechte doch gezeugt

Und derer wir uns voller Liebe schämen

Verflucht der Schmerz der endlich uns erlöst.

 

LXXXIII

 

Die Nächte mündeten  durch die wir lachten

In  Freundesbünde die uns bald umfingen

Dass wie verschworen wir zusammen hingen

Gebannt von Tanz und Sang dem schön erdachten.

 

Da ward das Gut  das wir zu eignen meinten

Die heitere Welt  die wir im Spiel uns schufen

Alt vor der Zeit und war auch bald verrufen

Und kränkelte  wiewohl wir es verneinten.

 

Nur unter Seufzen  vom gebrüllten Liede

Betäubt den Überdruss wir kurz vergaßen

Ermüdet dann (all innerer Spur entglitten)

 

Voll Unmut abgewandt alleine saßen

Das leere Wort des anderen nicht mehr litten

Und lauernd jetzt den Mord an ihm bemaßen.

 

LXXXIV

 

Sprich noch ein gutes Wort  dann werd ich gehn

Dein Speicher ist gefüllt  dein Feld gepflügt

Kann schon  wo bleich des Eises Staub nun liegt

Den Weg  der von dir fortführt  kaum mehr sehen

 

Des Nordens Winde schneiden kalt und scharf

(Warum bringt dieser Herbst so früh sie schon?)

Bedrohlicher klang nie ihr böser Ton

Sag  dass ich einmal wiederkommen darf

 

Vielleicht im nächsten Jahr zur Mad (derweilst

Das Dienen meiner Hände dir sei Lohn)

Du wieder deine Heimat mit mir teilst?

 

Bin ohne alle Richte wo die Fron

Mich nicht beherbergt  dir zum Knecht bestimmt

- Bis mich am End der Ewige zu sich nimmt.

 

LXXXV

 

Viel weniger dass des Sommers Glut betörte

Mehr dessen Glanz gleich einem bösen Biss

So schmerzlich tief ins Tief des Auges riss

Der Abend endlich der das Donnern hörte

 

Ließ den erschauern der da müd noch saß

Gewahr der Macht die sich im Taumel braute

Zerschlissenes Flackern  bleiches oben schaute

Wie gierig es am Saum der Wipfel fraß

 

Dort überm Berge der die Wetter  staute.

Noch einmal strafend brechen ohne Maß

Die Wasser  die vordem zu segnen mieden

 

Ein Schlagen  Grollen  langsam das vertraute

Nur stille Weinen  das sich bald vergaß

Um dann zu sterben weiter hin nach Süden

 

LXXXVI

 

Verblutend goss sich Glut aus hohem Schreine

Von Himmels Puls gestoßen ohne Maß

Bis spärlich nur ein Sud aus fauligem Aas

Mehr rann durch die zum Kult behauenen Steine

 

Wo weiland  sich das Gut der Gottheit las.

Jetzt heiser aus dem Ort für die Gebeine

Sind Stimmen hörbar  leis so wie der feine

Hauch des Windes überm dürren Gras.

 

- Entmachtet - euch nicht einmal mehr Geschwister

Im  Dämmer liegen  einst verehrt  wir Götzen

Seitdem uns barg und dann im Staub vergaß

 

Der letzte noch der ungetreuen Priester

Euch endlich Freie immer zum Entsetzen

Verfolge unser Scharren und Geflüster! -

 

LXXXVII

 

Gib uns den Frieden wieder  den du nahmst

Als du betört vom blumigen Rausch der Blätter

Aus karger Stätte hunger-wilder Götter

In diese ernte-satten Täler kamst

 

Anheischig heuchelnd den ersehnten Retter.

An der Hand lahmst du  die zu helfen meint

Und wo das Wort mehr meuchelt als es eint

Zeigt es den Gott nicht - nur den kranken Vetter.

 

Asketisch in Entbehrung dürre Lende

Taugt zur Begattung keinem reifen Schoß

Nicht Trost noch Segen einer bei dir fände

 

Schnell nur mit harschen Tadels bösem Stoß

Wo doch die Liebe dich mit uns verbände

Bleibst du in unserer Mitte heimatlos.

 

LXXXVIII

 

Die Wiege  welche er einst  mutig räumte

Steht nutzlos nun  so traurig und verwaist

Sie barg im Schlafe gern den jungen Geist

Als dieser nur von seinen Siegen träumte

 

Die kaum gereift er sich erringen würde

Die kaum errungen er schon bald vergaß

Die ihn  als er beim Siegesmahl noch saß

Schon hungern ließen nach noch höherer Hürde

 

Nach Feinden noch viel würdiger zu bezwingen

Herausgefordert über alles Maß

Erst wüchsen seiner Kraft die größten Schwingen

 

Dann trug man seine Urne auf die Stiege

Derweil vom heiligen Buche einer las

Und stellt’ sie ab in jener alten Wiege. .

 

LXXXIX

 

Dich spät erblickend hab ich still betrachtet

Was mir geschieht. Nicht mehr dich zu verlassen

Das war mein Wunsch und fortan nicht zu hassen

Ist Pflicht der Liebe süße Pflicht. Verachtet

 

Gelang ihr nicht in mir je Fuß zu fassen.

Doch ist der böse Zauber jetzt entmachtet

Mein vordem grames Herz nach Nähe schmachtet

Will liebend sich geliebt an deines passen

 

Fühlt dort sich wohl  wo hegend jene Güte

Nun endlich herrschen kann die du verbreitest

Und findet Nahrung gleich und kann gedeihen

 

Denn meines wirren Seins bist du die Blüte

Wo du mit Macht um seinen Frieden streitest

Mag in der Endlichkeit uns nichts entzweien.

 

XC

 

Gemächlich dort der Weg so schattig breit

Und ausgetreten  den kreuzt  rau von Steinen

Den engen Pfad so steil und schwer  den meinen

So steil und schwer und irrend und so weit.

 

Ging gern den säumigen mit dir  den deinen

Zum Gruße fänd und süßer Rast sich Zeit

Doch riefe gleich die Pflicht  und schon bereut

Wer sich so leicht vergaß - kennt er doch keinen

 

Der ihn beim mühevollen Tragen stützt

Gefragt wird wohl  warum nur auf zum Berg

Nie in die Niederung der Schritt denn führte

 

Mit Witz gefragt  wozu die Plage nützt:

Zum Nutzen nicht - allein mein Ziel mein Werk

Mein Gang allein  da ich für mich ihn kürte.

 

XCI

 

Vom Meister furchtbar Schaum am bleichen Munde

Erhobenen Fingers und Gewalt im Worte

Gerufen immer neu zum hehren Orte

In die dort dumpf gebeugte gläubige Runde.

 

Und golden glüht die reich besaumte Borte

Und Qual verheißt die harsch gebrüllte Kunde

Und hässlich zeigt sich überm Aug die Schrunde

Wo sterbend einer suchte ihn zu morden.

 

Nicht Sitte unter seinem Zwang erkennend

Nicht Dienst allein nach seinem Wohl sich messe

Verwaist - und nimmer Teil gefügiger Horden

 

Nur harrend bis Befreiung sich erschlösse

Dann in der Ferne eigenes Ziel benennend

Kein Knecht mehr endlich ganz ein Selbst geworden.

 

XCII

 

Grüne Lohe steigt aus feuchter Erde

Schaumiges Gewächs greift aus  umstrickt

Pflanzen die es unter sich erstickt

Dass allein sein Same Herr hier werde.

 

Mildernd raunt durch Mittagsglut ein Hauch

Blüte Halm und Blatt behutsam beugend

Über Dolden trächtigen Wuchs bezeugend

Steigt jäh Pollen auf als heller Rauch.

 

Blau besaumter Schatten unterm Baum

Tauscht im flirren Glanz bewegter Flecken

Tanzend gleich dem Netz erregter Spinne

 

Schläfrig schwebt vorbei der leichte Flaum

Weiter Hügel   weiter sich erstrecken

Licht-durchflutet die benommenen Sinne.

 

XCIII

 

Du glaubst  wo du dich einst ermattet findest

Dir endlich Heimat würde  sicherer Port

Der gütig keinen wieder hieße fort

Dass gern du dich in seine Stete bindest

 

Noch ist nicht Zeit zu ruhn - was willst du dort?

Der raue Fahrtwind ist dir Lust zumindest

Mit jedem Wort du in ein Handeln mündest

Dein Ziel die Weite  schwankend  kurz dein Hort.

 

Du wirst so klug sein und ein Fremder bleiben

Vertrautheit fliehn  beengter Wahlgemeinde

Die dich schon als ihr Knecht gefügig denkt

 

Von jener Kraft will sie sich einverleiben

Die dem zueigen ist der selbst sich lenkt

Als Fahrender hast du nicht Herrn noch Feinde.

 

XCIV

 

Glaub keinem Krieg und keinem faulen Frieden

Den Alten nicht und Eiteln. Sie ermüden.

Den Eiferer flieh. Sein Zwang zum rechten Glauben

Muss allen Daseins Süße dich berauben.

 

Such nicht den Freund bei Lügnern und bei Dieben.

Glaub keinem der beteuert dich zu lieben

Und vorgibt all dein Glück für dich zu orten.

Wer gar zu predigen sucht mit vielen Worten

 

Dienst sei und Opfer deine heilige Sache

Dass den Verführer man nur laut verlache!

Glaub keinem seine hehren Interessen

 

Mag er mit dir nicht Gleiches tun und essen.

Dein Leben sei ganz deins - dass es dich freue

Glaub du an dich - und halte dir die Treue!

 

XCV

 

Des Menschen Unart ist es schnell zu richten

Du sprich dein Wort und wisse  was du tust

Es sei dem Lager gleich auf dem du ruhst

Vermag auch Wortes Missbrauch zu vernichten

 

Sei’s doch der Nahrung gleich die dich erhält

Und alle die da wollen mit dir teilen

Gleich Balsam sei dein Wort  begabt zu heilen

Und Wehr  die sich dem Feind entgegenstellt

 

Nur Wehr nicht Waffe deren Wucht verletzt

Und nicht ein Gift dem anderen zu Schaden

Nicht Fluch  nicht eins das droht und  brüllt und hetzt

 

Dein Wort sei wahr und sei mit Sinn beladen

Zum Lohne wird – ist auch kein Dank zu hören

Dein Wort niemals dein eigenes Herz beschweren.

 

XCVI

 

Müd fernen Kampfes beugt’ er sich zur Schwelle

Hinab im Kuss da seinem Mund entfuhr

Statt eines Grußes weh ein Seufzer nur

Dann trat er ein  leicht wankend aus der Helle

 

Begann mit einem suchend langen Blick

Geschwister und Gespiele fast vergessen

Eins um das andere regungslos zu messen

Und wandte halb zur Tür sich schon zurück

 

Als er ein Kind dem Schein des Herdes nah

Erstaunt gewahrt die kleine Hand erheben

Zum Gruße lächelnd da es scheu ihn sah

 

Aus diesem einen Zeichen gleich wie zage

Entschloss noch einmal Heimat er zu weben

In der zu end er trüge seine Tage.

 

XCVII

 

So nah den Wassern und dem Flug der Reiher

Sich Mädchen lächelnd engelgleich verklären

Um säumig stille Siege zu gebären

Berückend selbst noch im zerrissenen Schleier

 

Entzückend selbst beim Treideln brüchiger Fähren

Mit heiterem Sange  Flöten-Spiel und Leier

Beglückend Junge lugend vom Gemäuer

Ob sie denn längst schon ihre Liebsten wären.

 

Gefangen nie  dort keusches Tun umlauernd

Wo ohne Sinn auch nur ein Wort sich höre

Gebete leiern sie am Seichten kauernd.

 

Begierde zwingt der Enge zu entrinnen

Des kleinen Ich – sich fände wer’s verlöre

Welch Wunder wütet da in allen Sinnen . .

 

XCVIII

 

Entstünde denn, wo vordem müßige Minne

Betrübt nur durch die duftigen Lauben liefe

Wenn heiteres Ziel jetzt zur Entdeckung riefe

Nicht Glück aus Rührung aller jungen Sinne?

 

Vergessen wäre bald die säumige Suche

Das scheu gespielte Räuspern, seichte Weinen

Ein Lächeln bräche sich nicht Bahn den Reinen

Geheiligt Scheinenden in züchtigem Tuche

 

Und Engeln Gleichenden mit rosigen Wangen

Sich Weitenden schon fraulich um die Hüften?

Die seufzend so Bereiten vor Verlangen

 

Entflögen dem Gefängnis ihrer Nöte

Zu sich selbst auf in taumelnd wilden Lüften

Da Stillung ihrer Lust sich endlich böte . .

 

XCIX

 

Was will ich überhaupt noch  was willst du

Von mir  die andern auch  was wollen die?

Was jeder in mir sah  das war ich nie

Und werd’s nie sein. Jetzt lasst mich doch in Ruh!

 

So vieles war nicht gut  das ist der Stand

Der Dinge  wo’s jed-anderer besser macht

Ich heule oft  gleich ob man mich verlacht

Versteck mich dann weit draußen auf dem Land.

 

Sitz stumm und ratlos unter einem Baum

Und laufe auch herum und bin allein

Nehm Abschied schmerzlich Abschied wieder mal

 

Von jenem lang und zäh gehegten Traum

Dem Traum vom Ruhm  vom Leben ohne Qual.

Dabei genügt es einfach nur zu sein. .

 

C 

 

So sind wir hier in unwirtlichen Landen

Wo unsere Tat kaum Lob uns bringt noch Lohn

Ein Wort  ein Klang kommt - wie oft schon

Wenn ohne Widerhall  so leicht abhanden.

 

Doch stehen wir in einer heiligen Fron

Für die sich wenige treue Diener fanden

Wo auch manch einer eitel ging zuschanden

Nach Ehren gierend vor dem hehren Thron

 

Der Kunst. Schon wäre unser Tun geachtet

Wenn später einmal einer sagte - ‚siehe’

(Von vielen einer wenn es um uns nachtet

 

Man uns verscharren wird und kaum betrauern)

‚Sieh dieses Werk  aus Liebe und aus Mühe

Das flüchtige Heute wird es überdauern!’

 

 

 

è Anhang